Tag 21 – Skaidi > Alta

Heute hat der Robert mal so richtig danebengegriffen mit seiner Prognose. „Stundenlang bergauf mit 12 km/h und Gegenwind bei gelegentlichen Schauern“ sagte er gestern noch, in stolzer Wetterfrosch-Manier. Das nochmal hinzunehmen war dann der Plan für heute. Was dann jedoch auf uns zukam für die letzten 90 km unserer Reise, das hält man nicht aus.

Schon beim ersten Blick aus dem Fenster unserer gemütlichen Wichtel-Unterkunft um 06:90 Uhr am Morgen (ja, klingt besser, als das laxe 07:30 Uhr) befürchteten wir das Schlimmste. Bei blauem Himmel mussten wir auf jeden Fall mit Sonne im Gesicht und warmen Fingern rechnen. Dazu waren die Bäume ziemlich ruhig, was ein heftiger Hinweis auf effizientes Vorwärtskommen ist. Wir stellten uns also schonmal mental darauf ein.

Robert kochte gleich kräftig Kaffee auf, während ich mit einer Gemüsesuppe für 4 Personen am Start war. Nach kurzer Zeit war alles angerichtet (sorry, die Bilder davon haben wir schlicht verschwitzt) und wir saßen brav beim Frühstücken. Als Croutons für die Suppe hatten wir noch Chips vom Vortag – es war ja Kino-Abend mit einem sportlichen Radl-Film über Jonas Deichmann.

Dann legten wir los uns begaben uns auf den Weg, der uns einst von Alta nach Skaidi gebracht hatte. Die Sonne verwöhnte uns von Anfang an, weswegen wir auch gleich auf leichte Kleidung umstellten. Jetzt die ganze Landschaft mal ohne Grau und bei Licht zu sehen, war ebenfalls ein Genuss. Von Sattsehen an der Natur keine Spur…

Offenbar hatten die Norweger wirklich vor, uns einen tollen Aufenthalt zu zaubern. Denn zahlreiche Straßen wurden neu gemacht. Nur waren wir einfach zu schnell. So war ein Teil der Strecke auf dem Hinweg noch von alter Qualität, auf dem Rückweg heute lag neuer Asphalt vor uns. Und um trotz unseres ungeplant verfrühten Eintreffens vor Ort wirklich alles optimal zu gestalten, wurden wir von einem „Follow-Me-Auto“ an der Ampel abgeholt und an der Baustelle entlang gefahren. Exklusiver geht es wirklich nicht.

Als die Kilometer dann nur so runterpurzelten, wurde uns langsam klar, dass sich unsere Reise dem Ende näherte. Eine gemütliche Brotzeit vor der letzten großen Abfahrt ließ nochmals das Gefühl des Draußenseins aufflammen.

Aber spätestens mit dem Erblicken der ersten Häuser Altas realisierten wir es dann. Jetzt ging es noch darum, die Logistik unserer Rückreise in trockene Tücher zu packen. Fahrräder für den Flug zu verpacken ist nämlich eine Herausforderung. Die optimale Lösung besteht im Zerlegen und Verpacken in einen Fahrradkarton, mit dem Fahrradhändler ihre Ware gewöhnlich bekommen. Wir hatten jedoch erfahren, dass unlängst ein internationales Fahrradrennen stattgefunden haben muss (vermutlich ist das North Cape 4000 gemeint), weswegen die ortsansässigen Fahrradläden wohl keine Kartons mehr hätten. Mit dieser Herausforderung im Hinterkopf gingen wir erstmal zum Flughafen, um Details zum Fahrradtransport herauszufinden.

Eine super Auffassung von Fliegen finden wir gleich auf dem Eingangsgelände des Flughafens. Aber mehr, als dass dort niemand so recht Ahnung von Fahrradfracht hatte, fanden wir auch nicht heraus. Knut jedoch, das Altaer Flughafen-Urgestein, gab uns einen heißen Tipp: das Outdoor-Sportgeschäft „Canyon“.

Im Canyon wurden wir gleich von Thomas empfangen, der uns sofort mit seiner unglaublichen Fachexpertise zu allem (!) beeindruckte. Auch nach Schilderung unserer Herausforderung nahm er uns mit in sein Lager, um eine Lösung auszuarbeiten. Wir hatten auch noch Glück, denn es waren gerade zwei neue Fahrräder angekommen und Thomas kritzelte sofort unsere Namen darauf. Problem postwendend gelöst! Danke an Thomas, unseren Helden des Tages.

Nach einem Plausch über allerhand Outdoor-Sachen inklusive Anti-Mücken-Zeug (der Canyon-Shop ist wirklich hervorragend sortiert) gingen wir in die Stadt, um bei einem türkisch-indischen Grill wunderbar zu essen. Und zu bloggen. 😉

Sehr entschleunigt und entspannt stimmten wir uns auf die kommenden Erholungstage ein. Jetzt geht es darum, vom wilden Energie-Tanken wieder auf einen Modus gesunden Essens umzuschalten. Vor allem unsere Muskulatur und unser Immunsystem brauchen jetzt ein umfangreiches Nähstoffsortiment, um alles wieder auf Vordermann zu bringen. Die Oberschenkel sind nach wie vor sehr berührungsempfindlich und haben sicherlich noch einiges nachzuholen.

Von daher war es ziemlich gut, so viele Tage herauszufahren und jetzt Pflegezeit vor Ort zu haben. In diesem Sinne: Landung geglückt!

Nachdem Robert allerdings mit seiner These „Es wird immer noch besser.“ vom ersten Tag an durchweg Recht hatte, erheben wir diese nun zu „Roberts Law“. Gültig für Langstreckenradler im Raum Westküste Norwegen für die Zeit Anfang bis Ende August. Bis zur nachvollziehbaren Falsifizierung genießt dieses Gesetz Gültigkeit.

Tag 20 – Nordkapp > Skaidi

Nach einer sehr kurzen Nacht – bis etwa 01:00 Uhr notierte ich noch die wichtigsten Gedanken des Tages und um 04:45 Uhr klingelte schon wieder der Wecker – ballerten wir runter nach Honningsvåg. Denn die Fähre war mit nur 15 Minuten Aufenthalt angegeben und würde sicher nicht warten.

Exkurs Fähre: eigentlich dürfte man dieses Transportmittel nicht einfach Fähre nennen. Denn es war ein Hurtigruten-Schiff, was man an Bord auch merkte. Aber ein Joke, der sich im Laufe unserer Reiser entwickelt hatte, war die Legende des „Hüttiboots“. Sie entstand nach einem Gespräch mit einem Norweger, der uns allerhand Tricks verriet, wie wir nicht so viel strampeln müssten und dergleichen. Einer war, alle Orte mit einem dieser „Hüttiboote“ (die Schreibweise entspricht seiner Aussprache) anzufahren. Und weil sich das Hüttiboot zu einer Art sprachlicher Universal-Drohung für allerlei Situationen entwickelte – ein wahrer Lach-Garant – bestand ich darauf, doch eines Tages ein solches Hütteboot zu nutzen. Vermutlich, weil Robert entnervt war und wir unbedingt diesen sinnlosen Nordkapp-Tunnel auf der Rückfahrt vermeiden wollten, planten wir diese schließlich wunderschöne Alternative entlang der westlichen Küste inklusive Hüttiboot aus. Geplant, getan.

Diese zweistündige Überfahrt transportierte uns etwa 50 km von Honningsvåg nach Westen in die Ortschaft Havøysund. Die Fahrt war sehr entspannt, wir dösten einfach vor uns hin.

Dort angekommen packten wir uns nochmal ordentlich Koffein in die Adern. Nach der kurzen Nacht hatten wir ernsthafte Probleme, überhaupt unsere somatische Maschinerie in Gang zu setzen. Vermutlich war es aber auch das Ziel, das sich geändert hatte. Motivationspsychologisch ist das Nordkapp natürlich ein Pfund. Die Rückfahrt mit Gegenwind und einer miesen Wetterprognose entsprechend weniger, daher wäre ein Durchhänger auch verständlich.

An Bord lernten wir noch zwei Stuttgarter und einen Schweizer kennen. Die Stuttgarter waren sehr pessimistisch eingestellt mit der Wetterprognose, die von vielen Regenschauern ausging. Wir zuckten mit der Schulter, denn hier hatten wir nun wirklich keine Beeinflussungsmöglichkeit. Kopf runter und durch war alternativlos. Was uns dann aber fortwährend anstachelte und motivierend auflud, war das erlebte Aufklaren des Himmels, die Sonne im Gesicht und den teilweise aufkommenden Rückenwind.

Wir kamen aus dem Feiern trotz noch mangelhafter Energielage kaum heraus und freuten uns über dieses Geschenk, das ab etwa der halben Tagesstrecke einsetzte.

Entlang der Küste durften wir noch unzählige beeindruckende Schicht-Gesteinsformationen bewundern.

Ganze postkartentaugliche Küstenperspektiven waren die Regel und sicherlich alle 15 Minuten zu bewundern.

Ein Adler, der uns streckenweise begleitete, beeindruckte uns ebenfalls sehr. Ein gigantisches Tier, perfekt an seine Umgebung angepasst und wahrlich der König der Lüfte.

Und schließlich noch eine mindestens 200 Tiere starke Rentiergruppe. Der Tag reihte sich definitiv in die Reihe „Und es wird noch besser…“ ein.

Als wir wieder an dem Punkt vorbeikamen, der uns unter anderen auf dem Hinweg diese Route mittels Werbeanzeige „nahegelegt“ hatte, mussten wir der Aussage nochmals aktiv zustimmen und das bildlich festhalten.

Ein kurzer Aufenthalt in Olderfjord mit frischen Backwaren und Filterkaffee brachte die Kraft wieder zurück. Und als wir dann nach Südwesten Richtung Skaidi abbogen mit Wind aus Nordosten, war der Tag perfekt. Mit über 30 km/h cruisten wir dahin und waren ziemlich schnell am anvisierten Ziel.

Im Skaidikroa, dem Restaurant, das uns bereits auf der Hinfahrt mit Kalorien versorgt hatte, ließen wir uns auch dieses Mal nieder. Todd, der operative Chef des Lokals, erinnerte sich an uns und gesellte sich für einige sehr interessante Gespräche zu uns. Ein charismatischer Kerl, der nicht allein durch seine Sprachkompetenz (akademischer Linguist mit ca. 10 aktiv beherrschten Sprachen) beeindruckt.

Gut gestärkt und dennoch bleiern-müde machten wir uns gegen 20:00 Uhr auf den Weg zum fünf Kilometer entfernten Campingplatz, um dort unser Nachtlager aufzuschlagen.

Tag 19 – Repvåg > Nordkapp

Nachdem wir ja doch noch einige Kilometer rausfahren konnten, war das Programm für den Gipfelsturmtag klar: alles gaaanz locker und gemütlich angehen. Für 85 km hatten wir uns locker fünf Stunden vorgenommen. Am Morgen lernten wir noch den aufbrechenden Dietmar aus Österreich kennen. Um 10:00 Uhr ging es dann los. Hatte schon etwas gedauert, denn Didi erzählte einiges von seinem Trip zum Kapp am Vortag und als Cannondale-Experte hatte er in mir auch einen ergiebigen Gesprächspartner.

So rollten wir unsere ersten 30 km dahin. Immer wärmer werdend mit einer gewissen Reserviertheit ob des fast sieben Kilometer langen Nordkapptunnels.

Der hat nämlich einen ziemlich fiesen Ruf. Nach Einfahrt geht es nämlich erstmal drei Kilometer steil bergab, bis man auf 212 m unter dem Polarmeer einige hundert Meter waagrecht nach Norden fährt, um dann wieder drei Kilometer sehr steil nach oben zu klettern. Mit dem Rad ist man da einige Zeit unterwegs. Dabei hat man gleichzeitig mit Kälte und Schwitzen zu tun, ebenso dem Krach der fahrenden Autos und Lkw. Und wir hatten keine Ahnung, wie genau sich das vor Ort darstellen würde.

Als wir dann am Tunneleingang ankamen, sahen wir noch ein Wandererpärchen, das ebenfalls hindurch wollte – zu Fuß. Da sahen wir, wie gut wir es hatten und bereiteten unsere Bikes in aller Ruhe für die Durchfahrt vor.

Wie beschrieben ging es erstmal mächtig bergab. Das bescherte uns Spitzengeschwindigkeiten von 60 km/h, die uns aber auch an die Bibbergrenze führten.

Unten angekommen erleichterten wir uns um etwas Kleidung, um im Kletterabschnitt des Tunnels nicht zu sehr ins Schwitzen zu geraten. Sinnlos, denn der Aufstieg war wirklich steil. Wir hatten insgesamt Glück, denn es kamen nur sehr wenige Autos, die allesamt sehr ruhig und langsam gefahren sind.

Damit waren wir zwar locker durch den Tunnel gekommen, jedoch auch erleichtert, denn etwas Stress beschert so eine Fahrt schon. Besonders, wenn man sich klarmacht, gerade 200 m unter dem Meer zu sein und überall Wasser eindringen sieht und Getropfe hört. So war es toll, endlich auf der anderen Seite zu sein, wo das Wetter gleich etwas durchwachsener ausschaute. Nach einem Apfel ging es weiter.

Unser erster Stopp nach dem Tunnel war im 15 km entfernten Honningsvåg, das einen Schiffsanleger besitzt. Dort wollten wir herausfinden, ob es am Folgetag eine Fährmöglichkeit nach Havøysund gibt. Die war noch eine Option, die wir nach dem Nordkapp erkunden wollten. Und mit der Fähre würden wir eine der schönsten Küstenrouten Norwegens von Nord nach Süd fahren können. Mit richtig viel Zeit zum Erkunden und Entdecken.

Der Weg dorthin war schon etwas mit kurzen Schauern gespickt, die wir aber hinnahmen – trotz guter Wetterprognose muss man das spätestens am Nordkapp als Unplanbarkeit hinnehmen. Dummerweise mussten wir auf die Dame am Schiffsticketschalter pausenbedingt warten. Daher kühlten wir aus und besonders ich brauchte trockene Klamotten und hatte auch noch Lust auf einen ersten Cappuccino. Nachdem es uns dann tatsächlich gelang, zwei Fähr-Tickets zu ergattern, suchten wir ein Café auf. Und dieses hatte es in sich.

Robert nahm noch als Ergänzung unseres Frühstücks Sandwiches, während ich mich mit einem Stück Himbeerkuchen zufrieden gab. (Ich aß aber bei Robert Pommes mit, da ich etwas frustriert war über das Ergebnis meiner Unterkunftssuche. Aufgrund einer Fehlfunktion bei Booking.com kam es zur Buchung von zwei Campinghütten, anstatt einer. Und das musste jetzt noch schnell gelöst werden.)

Der einzig echte original „Nordkapp Camping“ (der Manager legte großen Wert auf diese Tatsache) lag glücklicherweise direkt auf dem Weg, weswegen wir das Problem direkt vor Ort klären wollten. Außerdem konnten wir so direkt den Schlüssel empfangen (=einchecken) und damit unabhängig von deren Betriebszeiten so lange am Kapp bleiben, wie wir wollten. Und das war auch gut, denn kurz vor Abfahrt entdeckte Robert bei der Lokalwettervorhersage, dass ab 17:00 Uhr ein Aufklaren am Nordkapp vorhergesagt war. Für den ganzen Abend. So viel Glück kann man nicht haben, dachten wir. Umso mehr machte es uns nervös, dass die Regulierung der Buchung über 30 Minuten in Anspruch nahm. Aber schließlich gelang es und wir waren auf dem Weg.

Wir waren erstaunt, wie schön die von allen als karge Landschaft beschriebene Norkapp-Insel doch war. Das abwechslungsreiche Spiel von Hügeln, See, Wasserfällen und vor allem Rentieren war einfach beeindruckend. Und aufgrund der Tatsache, dass Saisonende war, hatten wir sehr wenig Verkehr.

Damit war die letzte Etappe ziemlich ruhig. Aber nicht weniger fordernd. Die Anstiege hatten es in sich. Entweder saulang oder einfach knackig steil. Die letzten Kilometer zählten einfach nur sehr zäh nach unten. Hinter jedem Hügel, der den Blick auf den Globus freigeben sollte, war ein weiterer. Und immerhin sah man das Ziel bereits aus über 20 km Entfernung.

Als wir dann endlich unsere letzte Höhe nahmen, entdeckten wir die leistungsfähige Touristen-Plattform, die dort aufgebaut worden war. Riesige Parkplätze, ein großes Museum und natürlich ein enormer Gastronomiebetrieb. Wie wir erfuhren, werden dort ganze Ozean-Liner versorgt, von denen dann schon mal 3.000 Menschen von Bord gehen für ihr Nordkapp-Foto. Aber wie gesagt, es war ja Saisonende. Daher waren wir fast allein.

Wir radelten gleich um das Museum herum und ganz nach vorn zum Globus, wo wir ausgiebig posierten und Bilder schießen ließen. Es waren relativ viele deutsche Radler und Abenteurer da, da wir insbesondere im Süden Deutschlands noch Ferien haben und Norwegen offenbar ein beliebtes Ziel ist. Wir hatten dermaßen Glück, denn wie viele sagten, wäre das der Tag des Jahres gewesen. Sonne pur! Besser hätte es nicht laufen können.

Wir waren total glücklich, dass wir unsere Reise nach 20 Tagen nun zu einem solch grandiosen Finale bringen konnten. Höchst dankbar und breit grinsend gingen wir aufs Museum zu und wollten uns um unseren Hunger kümmern. Denn die Aufregung und Vorfreude hat zusätzlich für Appetit gesorgt.

Radfahrer jedenfalls werden am Nordkapp hervorragend behandelt. Zunächst hatten wir keine Eintrittskosten. Wir wurden persönlich an der Tür abgeholt und bekamen eigene Parkplätze direkt am Haus. So begaben wir uns gleich in die Garderobe und legten trockene Kleidung an, ehe wir in unser „4-Gänge-Wiederherstellungs-Menü“ einstiegen. Vom Gebäck über den sauleckeren Hot-Dog, Sandwiches, Salat, Fischsuppe und vor allem Waffeln gab es (und hatten wir) alles. Leicht komatös hingen wir dann dort entspannt herum und genossen den Blick aufs Meer, das bei fast Windstille ein phantastisches Farbenspiel bot.

Es gab noch eine großartige Ausstellung, die sich Robert genauer ansah. Informativ dargestellt waren vor allem die Seeschlachten, in denen die deutschen Zerstörer Tirpitz und Scharnhorst versenkt wurden. Hervorragend aufgearbeitet und in sehr würdevoller Weise wurden diese bedauerlichen Abschnitte der Geschichte in Szene gesetzt und der Zuschauer daran erinnert, in welch einer großartigen Zeit wir heute eigentlich leben.

Diesen Abend jedenfalls verbrachten wir in absolut relaxter Atmosphäre. Die Akkus luden wieder auf deutlich über 100% und das Leben war einfach schön.

Etwa zwei Stunden nach uns traf noch eine weitere Gruppe Radler ein, angeführt von Eva, der energiegeladenen Wienerin. Sie hatte einen ähnlichen Plan wie wir, über Alta zurückzukehren. Ihre zwei Begleiter waren noch länger unterwegs und planten, über Finnland nach Frankreich und Deutschland zurückzukehren.

Wir fuhren dann gegen 22:00 Uhr nochmals etwa 30 km zurück zu unserer Camping-Unterkunft, wo wir eine sehr kurze Nacht verbrachten. Denn morgens um 04:45 Uhr ging bereits der Wecker. Das Schiff um 05:45 Uhr musste im zehn Kilometer entfernten Honningsvåg unbedingt erwischt werden. Wir hatten ja bereits die Tickets.

Tag 18 – Alta > Repvåg

Entspannter kann ein Tag nicht beginnen: Ausschlafen bis 07:15 Uhr!!! Dann ein gemütliches Frühstück mit einer irrsinnigen Auswahl an hochwertigen und gesunden Sachen. Damit zeigte sich, dass es sich lohnt, die Kilometer herauszufahren, wenn die Power da ist. Denn wir hatten uns einen derart angenehmen Puffer herausgefahren, dass wir nun richtig Zeit hatten, den finalen „Gipfelangriff“ aufs Nordkapp eben gemütlich anzugehen.

Also starteten wir um 10:00 Uhr. Mit guter Wetterprognose, aber ungünstigen Windverhältnissen (was ist schon ungünstig – solange es trocken ist, kann man alles ertragen, ja sogar gut finden).

Nach 18 km Einradeln ging auch schon die erste Kletterei los. Gemütlich, über etwa 20 km kamen 600 Höhenmeter zusammen. Dazu entgegen der Prognose noch etwas Rückenwind – was will man mehr. Einige Male mussten wir lachen und es wertschätzen, welch Glückspilze wir sind. Das ist nicht selbstverständlich so kurz vor dem Kapp.

Dann folgte eine 40 km lange „Abfahrt“. Abfahrt deshalb, weil wir auf der Strecke konstant zehn Höhenmeter pro Kilometer verloren. Nicht viel, aber es half etwas, denn der Wind kam natürlich von vorn. Dieser Abschnitt führte uns über eine Art Hochebene, in der wir die Trostlosigkeit des norwegischen Nordens etwas zu spüren bekamen. Kilometer schnurgerade durch das Land….

Vielleicht lag es auch am fehlenden Meeresblick, denn wir querten durch das Landesinnere. Jedenfalls kam es uns stellenweise wie eine Steppe oder Tundra vor, kilometerweise einfach keine Abwechslung, keine Hütten, keine Menschenseele. Was uns dennoch wunderte, waren die Schübe von Campern, die da gen oder vom Norden rollten. Sonntag scheint auch hier der Tag zu sein, wo man mal einen Ausflug unternimmt. Gerne auch mal spontan zum Nordkapp.

Auffällig waren die vielen kaputten Birken, die trotz vereinzelter Hütten ein trostloses Bild abgeben. Dafür ist eine Schmetterlingslarve namens Løvmark verantwortlich, die durch den Klimawandel bedingt die Gegend Sennalandet erobert hat. Diese Tiere fressen mit ihren Larven die Birken kahl. Allzu oft verträgt das eine Birke nicht. Da die erforderlichen Kälteperioden, die nötig wären, um die Larven loszuwerden, immer seltener werden, sind diese Bäume ernsthaft bedroht. (Laut international anerkanntem Raupenexperten Robert Schwarz, 2021.)

Dazwischen fanden sich dann aber immer wieder große wilde Blaubeerfelder, in denen gelegentlich auch Frauen knieten, die sie kräftig einsammelten. Nicht umsonst ist Norwegen als Blaubeernation bekannt. Blaubeermarmelade schmeckt hier einfach jämmerlich gut!!! (Zum Reinsetzen.)

Eine irrsinnig coole Erfahrung war heute, dass man den Wetterunbilden entkommen kann. Als sich nämlich eine Regenfront von links näherte bei ebenfalls starkem linksseitigem Wind, entschlossen wir uns, in die Pedale zu treten, was das Zeug hielt, anstatt unsere Regenkleidung anzulegen. So fuhren wir knapp vor der Front her und entkamen ihr dann sogar mit nur wenigen Regentropfen in der Kleidung. Die Feuchtigkeit kam dann allerdings von innen, denn Schweiß produzierte die Hatz dann doch.

Im Dörfchen Skaidi machten wir dann Halt, um etwas Kalorien zu tanken. Bei einem kleinen Burger schmiedeten wir Pläne für den finalen Gipfelangriff am Folgetag. Dann nochmal den Reifendruck aktualisiert und in die zweite Kletterei. Auch diese kamen wir trockenen Stoffes auf der anderen Seite an.

Dort wartete allerdings ein kleines Unwetter auf uns, dem wir ebenfalls geschickt entkamen: untergestellt an einer Hütte und derweil fleißig Kaffee kochend. Die Aeropress ist einfach eine Wucht. Und unser Kaffee erst – fruchtig und aufweckend, ein echtes Fremdstartkabel!

Danach wollten wir noch etwa 30 km fahren und dann einen Nachtlagerplatz aufsuchen. Leider erwischten uns dann ein paar kleine Schauer, die besonders mich dann doch etwas durchnässten. Das war aber weniger schlimm, denn es lief trotz Gegenwind so gut, dass wir einfach weiterradelten. So wurden die Klamotten langsam auch wieder trocken.

Die Tunnel, die wir währenddessen befuhren, sorgten für etwas Abwechslung. Besonders durch die Wetten, die wir abschlossen. (Z.B. „Wetten, dass uns in diesem 3,5 km langen Tunnel kein Auto begegnet?“ Riskante Wette, die ich auch verlor.)

Mitten im Nirgendwo tauchte dann ein großes Plakat an der Felswand auf, dass von Lunch, Camping und Hotel in acht Kilometern Entfernung erzählte. Das wollten wir sehen und so radelten wir nochmals einiges an Strecke drauf.

Immer wieder begegneten wir Rentieren, die die Ruhe im hohen Norden sichtlich genossen. Sie integrierten die Straße trotz der hin und wieder hindurchrauschenden Kolonnen wie selbstverständlich in ihre Reviere.

Auch nahmen sie immer wieder am Straßenverkehr teil, allerdings in sehr eigentümlicher Weise. Jedenfalls beeindruckten uns diese Tiere sehr. Meist hielten wir an und schauten ihnen einige Minuten lang zu.

Als es dann „rechts ab“ hieß in Richtung Campingplatz, taten wir genau dies. Wir wollten sehen, wie so ein Ort im Nirgendwo an der langen Küste Norwegens aussieht. Als wir dann sahen, dass bis 23:00 Uhr die Rezeption offen ist, gingen wir hinein und sprachen direkt mit dem Besitzer des Platzes.

Als der uns seine urigen Hütten zeigte, waren wir total begeistert und entschlossen uns, eben nicht das Zelt aufzuschlagen, sondern eine solche Hütte direkt zu nehmen. Sehr einfach, aber dennoch mit einer gewissen Gemütlichkeit versehen, breiteten wir uns in ihr aus, aßen ein uriges Vesper aus unserer Bordverpflegung und hörten dazu noch Rockmusik. Perfetto!

Als wir dann sahen, wie wenig Reststrecke noch bis zum Kapp übriggeblieben war, klatschten wir in die Hände und freuten uns auf einen noch entspannteren Tag zum Ziel. Bei der Gelegenheit planten wir gleich ergänzende Alternativrouten für die Rückfahrt ein. Gehts noch besser? Heute kaum. 🙂

Ach ja, doch. Duschen! Die gabs nämlich dort auch. Und nach einem Jahr Auszeit durch Corona waren wir mit die Ersten, die die neuen Anlagen nutzen durften. Aber das geht dann wirklich kaum noch besser!

Tag 17 – Sørkjosen > Alta

Tag 17 könnte für Kontrastprogramm stehen. Es begann schon mit der Wetterprognose, die mehr als Regen, Schauer, Niederschlag und Feuchtigkeit leider nicht zu bieten hatte. Daher gingen wir davon aus, dass der Weg nach Alta ein nasser sein würde. Bedingt durch die Grau-in-Grau-Erwartung rechneten wir mit sehr wenigen Foto-Halten und daher mit einem wirklich kurzen Blog. Aber wie das so ist in Norwegen – things change permanently.

Mit Gegenwind aber noch trocken ging es bei etwa 9°C los. Wir hofften auf das Coming-Out der Sonne. Nein, nicht dass die Sonne eine Vorliebe für andere Sonnen hätte. Wir hofften viel mehr, dass sie uns deutlich machen würde, dass sie uns zum Nordkapp hin begleiten wollte, da an einigen Stellen der Himmel Andeutungen von Aufreißen machte.

Daher war leichte Bekleidung die Wahl. Doch schon nach wenigen Kilometern lag uns eine gischt-ähnliche Luft im Gesicht, sodass Brille und die gesamte Vorderseite binnen Sekunden feucht waren. Also schnell rein in die Regenmontur und weiter. Keine zwei Minuten später kam der Regen horizontal und wir waren im Tageshauptprogramm angekommen.

Im sauberen Kraulstil arbeiteten wir uns gegen garstigen Wind unseren ursprünglichen zwei Haupt-Herausforderungen des Tages entgegen. Zwei Kletterpassagen über jeweils mehrere Kilometer, einmal 450 Höhenmeter und einmal gute 270. Ich fing schon an zu zweifeln, da ich am Morgen noch lautstark behauptet hatte, dass uns der Wind beim Klettern günstig unter die Arme greifen würde (also Rückenwind). Doch nichts geschah. Wind stand konstant auf zwölf Uhr.

Doch dann, aus „heiterem Himmel“, hörte es auf einmal auf zu regnen und der erste Berg war direkt vor uns. Und – oha – der Wind kam auf einmal von hinten. Also raus aus dem Pool und rein in den Anstieg. Obwohl Robert ja eine absolute Advanced-Special-Ultralight-Funktionsausrüstung einsetzt (und daher offenbar auch viel zu schnell wieder trocken war…), wollte er es langsamer angehen und auf diesem ersten Kletterabschnitt nicht wieder schweißgebadet oben ankommen. Da die tiefe Wolkendecke das obere Drittel unserer Etappe einnebelte, war klar, dass es da oben kühl sein würde.

Der Wind war ebenfalls ernst zu nehmen da oben, daher sind Abfahrten nach anstrengenden Kletterpassagen tatsächlich unangenehm, weil saukalt. Also fetzte ich los und war schon bald in den Wolken verschwunden.

Die Straße, die inzwischen sehr ruhige „alte“ E6, war auf einmal Teil einer gespenstischen Szenerie. Absolut still und mit dem Rückenwind auch kein Fahrtwind wahrnehmbar, genoss ich diese absolute Ruhe. Sowohl akustisch, als auch insgesamt wahrmehmungsphysiologisch. Völlig stressfrei und im Flow ging es dem Passübergang entgegen. Patschnass, versteht sich, denn weder schonte ich mich, noch war ich irgendwie auch nur angetrocknet. Auf einmal fühlte ich mich beobachtet und hielt daher an. Bei genauerem Hinsehen entdeckte ich jede Menge Wild um mich herum, das sich da einfach im sicheren Nebel im weichen Untergrund kuschelig versteckte.

Rentiere, wohin das Auge blickte. Ich versuchte mich in einem sachten Röhren, was sofort die Aufmerksamkeit aller auf mich lenkte. Und offenbar war ich aufgrund meines Dialekts aufgeflogen. Jedenfalls rappelten sich alle auf und bewegten sich von der Straße weg. Dennoch ein Traum, so etwas zu sehen. Schnell packte ich mein Rad wieder unter mich und verschwand in der weißen Wand.

Dann kam die Abfahrt. Und die hatte es in sich. Einfach saumäßig kalt. Zwar immerhin 7°C, aber mit dem Windchill und verstärkt durch die Verdunstungskälte waren das empfundene Minusgrade über mehrere Kilometer ohne aktive Arbeit am Pedal bei guten 50 km/h. Robert war inzwischen auch aufgeschlossen und wir preschten ins Tal, um die nächste Kletterpassage zu erreichen. Noch gut nass steigen wir ein und packten ein gutes Tempo auf den Asphalt. An einer Baustelle überholten wir sogar die wartenden Autos bergauf (na ja, wir mussten dazu die rote Ampel missachten) und landeten wieder in der Wolke.

Doch dieses Mal kam eine weitere Überraschung. Der Himmel um uns herum brach auf und wir hatten plötzlich eine freie klare Sicht auf den Fjord unter uns. Schneller als man schauen konnte lehnten die Räder an den Leitplanken und wir posierten wie einst bei Karl Lagerfeld. Wir waren uns einig: alle ertragenen Wetter-Unbilden des Morgens waren überentschädigt und wir nur glücklich. Jauchzend gings abwärts, die Kälte war uns inzwischen egal.

Doch es ging weiter. Der folgende 50-km-Abschnitt war wenig spektakulär in Sachen Höhenmeter. Wohl aber die malerische Fahrt entlang des Südufers vom Altaer Fjord. Entgegen der Windvorhersage wehte er nicht aus Ost (also von vorn), sondern aus West (also von hinten). Das bedeutete Ballern! Gesagt, getan.

Und wir kamen noch an einem besonderen Ort am Sørstraumen vorbei, an dem die Gezeitenströme aufgrund der orohydrografischen Gegebenheiten außerordentlich stark sichtbar sind.

Zwischendurch hatten wir ein paar experimentelle Umkehrmanöver, etwa durch eine vom Erdrutsch zerstörte Straße, ein „Radler-müssen-draußen-bleiben-Schild“ am Tunnel und dergleichen. „Nicht nerven lassen“ dachten wir und setzten uns erstmal an einen Picknick-Tisch in die Sonne und vesperten. Es gab Brot mit Käse, Wurst und Kaviarcreme. Lecker. Vermutlich auch im nicht ausgepowerten Zustand…

So machen „tunnelen“ fast Spaß.

Es folgten noch einige Tunnelfahrten, die uns auf verschiedene Weise auf unsere Prüfung im gefürchteten Nordkapp-Tunnel vorbereiteten. Robert machte nach jedem Tunnel drei Kreuze (ist er jetzt katholisch oder nicht?), denn diese Durchfahrten sind extrem laut, kalt und stressig. Der erste zeigte noch, wie Tunnelfahren heute eigentlich sein kann. Die anderen weniger…

Die Kilometerangaben auf den Schildern nahmen beständig ab. Und schließlich waren wir da: am Ortsschild Altas. Wir mussten für das Bild die Räder auf die andere Straßenseite schleppen. Und die Autofahrer müssen uns für entlaufene Wahnsinnige gehalten haben ob der Freudengesten und Bilder, die wir dort ablieferten.

Wir durchquerten die Stadt erstmal und suchten unsere Bleibe auf, um dort zu waschen und dann auch schnell in ein gutes Restaurant zu gehen. Wir fanden den Italiener „Alattio“, wo wir ausgezeichnet empfangen wurden. 100% italienische Küche inkl. des gesamten Koch-Teams. Die Besatzung dieser Stätte wies 13 Nationen auf. Sogar ein Deutscher ist dabei, der Michael. Absolut lustiger und gleichzeitig professioneller Haufen. Und das Essen… vom Feinsten.

Zum Glück haben wir noch mindestens zwei weitere Tage. Nach Aufnahme von etwa einer Megakalorie brachen wir auf, um noch schnell Lebensmittel fürs Wochenende und die finalen Etappen zu besorgen und uns mindestens acht Stunden Erholung zu gönnen.

Dieser Tag war fordernd. Sowohl, weil wir die ganze Bandbreite der norwegischen Natur (all incl.) abbekommen hatten, als auch aufgrund der tollen Eindrücke mit Rentieren aus nächster Nähe. Tunnelfahren ist aufzehrend, auch das spüren wir heute kurz vor dem Zubettgehen. Das gesagt – Augen zu!

Tag 16 – Tromsø > Sørkjosen

Der Tag begann äußerst gemütlich… Zumindest, solange wir noch warm dalagen. Als wir dann die Tagesleistung diskutierten und ich darauf bestand, dass wir die „enorme Steigung nach der letzten Fährfahrt“ noch nehmen müssen, kam von Robert nur: „Dann müssen wir aber gleich los!“

Gesagt, getan. Der Saustall, bzw. das Logistikzentrum zum Ausrüstungsmanagement das wir aufgebaut hatten, musste natürlich abgebaut werden. Was etwas Zeit in Anspruch nahm. Als wir von einer etwas schüchternen, jedoch absolut engagierten Rezeptionistin aber auch noch einen wirklich perfekten Cappuccino kredenzt bekamen, kehrte nochmals Entspannung ein. So kamen wir erst um 09:45 Uhr tatsächlich los.

Die Luft roch schon feucht und salzig, leichtes Nieseln gab bereits einen Vorgeschmack auf den Tag. Nach den ersten Kilometern Einstrampeln, unter anderem durch Baustellen und Gematsche hindurch, ging sie auch los, die Nieselei. Wind fast nur von vorn (ich frage mich manchmal, woher der Windmacher weiß, wohin wir wollen) und ein ständiges Nieseln, sodass wir bald zwei feuchte Gesellen auf dem Weg gen Osten waren.

Im Grunde sind die Windsysteme aber ganz einfach. Entlang der Fjorde kanalisiert der Wind in der einen oder eben anderen Richtung. Oder man hat Glück und der Wind weht rechtwinklig zum Fjord, was dann manchmal zur Windstille im Fjord führt. Naja, heute hats eben nicht gepasst.

Insgesamt war das eine nervige Angelegenheit. Einerseits der kalte Gegenwind, der uns neben Merino-Unterwäsche auch in Windstopper-Kleidung zwang und damit den Feuchtigkeitsabtransport stark verringerte. Andererseits die heftige Arbeit am Pedal gegen die Windströmung, die durch die starke Schweißproduktion eben diesen Feuchtigkeitsabtransport eben gebraucht hätte. Schwitzen und Frieren gleichzeitig, was will man mehr!

Dumm waren die Fährzeiten. Durch unser spätes Aufbrechen erreichten wir unsere erste Fähre 90 Minuten zu früh (quasi in deren Mittagspause), was uns dann am verlassenen Hafen mit Windstärke 6 allein herumhängen ließ. Toiletten waren da, was uns Windschutz bot und damit auch Gelegenheit, dass unsere Körperwärme das nasse Zeug etwas trocknet.

Kurzer Blick zwischendurch auf den Gletscher.

Nach 30 Minuten auf der Herrentoilette, die nicht unbedingt nach Rosen roch, wollte Robert Kaffee kochen. Gute Abwechslung! Aber nicht dort, wo es so stank. Also wechselten wir auf die viel geräumigere Damentoilette und bauten dort unseren Coffee-Shop auf. Mit Gaskocher und kleinem Pott wurde Wasser aufgekocht, das dann den Kaffee in der Aeropress auf den Punkt zauberte. Mit viel Fachsimpelei über Brenner, Kaffee und Titangeschirr (nicht zu vergessen die zwei großen Tassen super-fruchtigen Kaffee) verging die Zeit im Fluge und als uns eine staunende Dame dann aus der Toilette warf, kam auch schon die Fähre.

Für den Transit zwischen der ersten und der zweiten Fähre lagen 22 km, für die wir etwa zwei Stunden Zeit hatten. „Super-gemütlich“ dachten wir und radelten noch auf der Rampe los. Was dann kam, war einerseits super und andererseits doof, bzw. verschwenderisch.

Was? Na, wir hatten gewaltigen Rückenwind und ballerten den Fjord entlang. Der Knüller dabei war ein Seeadler, der in nächster Nähe zu uns seine Flugkünste unter Beweis stellte und uns staunend stehen ließ. Ein gewaltiges und anmutendes Tier. Nur war ich zu langsam am Colt bzw. an der Kamera. Gibt leider kein Bild von ihm. Dafür aber von diesem Traumhäuschen, das direkt in seinem Revier stand.

Dann, nach gerade mal 45 Minuten, waren wir da und konnten nur zum Shoppen gehen. Was toll war, denn der Regen war nicht weniger geworden und so konnten wir trocknen. Ein kleines Kaffee war auch noch da, also auf zum Cappuccino! Der war allerdings wie das Wetter. Eine völlig unmotivierte Bedienung stellte uns Cappuccini hin, die ihresgleichen suchen. Ich trank und zuckte mit den Schultern, Robert ließ etwas stehen und meinte, ihm wäre etwas schlecht. (Glaube ich gerne, denn er wollte nicht einmal Süßigkeiten essen, für fast 30 Minuten.)

Als unsere letzte Fährfahrt vorbei war, hatten wir noch etwa 30 Minuten Ruhe. Aber nur im Sinne von „kein Regen“. Der Wind war schon in seiner vollen Pracht aus Nord da. Wir fuhren natürlich auch genau dorthin. Und nach 30 Minuten kamen Niesel und gelegentliche Schauer als Dauerbespaßung dazu.

Was aber toll war: die ätzende E6, auf die wir ab der letzten Fähre angewiesen waren, war deutlich schwächer frequentiert, als wir erwartet hatten. Damit war einigermaßen Ruhe und weniger Autos und Lkw hüllten uns in ihre Gischt beim Überholen. Aber es war kalt. Selbst der kürzeste Stopp machte sich mit etwas Bibbern bemerkbar.

Da der letzte Tunnel für Radler gesperrt war, mussten wir außen herum über den Berg. Das war jedoch großartig, denn beim Aufstieg hatten wir Rückenwind, wie von mir exakt vorhergesehen, und keinen Regen. Und absolut keinen Verkehr. Denn der ging durch den Tunnel.

Somit konnten wir die „alte“ E6 ganz alleine genießen. Hatte etwas für sich. Einen beeindruckenden Wasserfall entdeckten wir auch noch, was im Bild gut zu sehen ist.

Die dann folgende Abfahrt war wirklich gefühlte -4°C kalt. Am Ende wurde alles belohnt mit leckeren Hamburgern. 😉

Tag 15 – Gryllefjord > Tromsø

What a day!! Die Regennacht im Zelt absolut trocken überstanden. Alles andere war zwar nass, da wir aber Zeit hatten, konnten wir ganz gemütlich unseren Lagerplatz in eine Sortier- und Trocknungsanlage verwandeln. (Mehr schlecht als recht.) Und nebenher frühstückten wir. Feldmäßig.

Dass wir zurück auf dem norwegischen Festland waren, spürten wir sofort. Ums Eck und los ging es mit Klettern. Das Mindset passte aber, denn wir wussten, dass wir bis um 14:00 Uhr eine Fähre erreichen mussten und mit deren Erreichen sollte insgesamt die Kletterei dieses Tages abgeschlossen sein. Rein theoretisch…

Eine Kältekammer, äh, ein Tunnel, vor dem wir am Vortag noch gewarnt wurden, stand gleich danach an. Mit Steigung ging es 2,3 km nach oben. Schwitzen und Frieren gleichzeitig, das kenne ich sonst nur vom Eisklettern.

Und gleich am Ende kam eine Endlos-Baustelle mit gehäckseltem Asphalt. Das ist eben das Problem, wenn man so ambitioniert wie wir unterwegs ist und damit den Norwegern jede Chance nimmt, die neuen Straßen für uns rechtzeitig fertigzustellen. Eine nervenaufreibende Sache jedenfalls, denn Roberts Formel-1-Dünnst-Reifenmäntel mögen solch frischen Gravel nicht so gerne.

Die größte Kletterei des Tages stand an. Mit leichten Rückenwind, der ziemlich genau unserer Fahrgeschwindigkeit entsprach, stand die Luft quasi still und weder Kühlung, noch Feuchtigkeitsabtransport waren vorhanden. Damit kam zumindest ich nass wie ein Norwegerpulli nach dem Wollwaschprogramm oben an.

Windig war es wohl, daher gleich die Windstopper-Jacke drüber und auf in die rasante Abfahrt. Diese Abfahrten waren sehr interessant, da viele kleine Tunnel dabei waren, die mit Geschwindigkeit gefahren richtig Spaß machen.

Die Fjord-Umrundungen zwischendurch – wir fahren in der Regel die Fjorde auf der einen Seiten nach hinten und ab dem Umkehrpunkt auf der anderen Seite wieder vor – waren wieder mal atemberaubend. Auch kam die Sonne zwischenzeitlich durch und verwöhnte nicht nur unsere Rücken, sondern auch die Augen. Ich stelle fest, dass ich zwischenzeitlich nicht immer mehr motiviert bin, alle Szenerien zu fotografieren. Der Gedanke dabei ist „das hat man doch schon gesehen, warum also nochmal ablichten“. Von sattgesehen an der gewaltigen Natur kann man aber keinesfalls sprechen. Die Landschaft in Bewegung, was bei uns zwischen 20 und 35 km/h bedeutet, auf Abfahrten bis zu 65 km/h, sieht unbeschreiblich aus.

Die zweite Kletterei kam schnell und fast an der Spitze angekommen trafen wir die liebe Ine aus Belgien. Mit ihrem Fahrrad, das sie Enrico nennt, war sie zwischen Finnland, Norwegen und Schweden unterwegs. Aktiv-Urlaub allein – öde mag man annehmen, das Gegenteil ist jedoch der Fall. Man ist dann vermutlich einfach ungestörter beim Gucken… Ine jedenfalls war total aufgedreht und hatte ziemlich Pfeffer auf dem Sattel.

Sie jagte uns noch nach, als wir uns in Richtung Fähre aufmachten und bekam dann bei Eintreffen zur Belohnung eine Waffel mit norwegischem Käse. Sehr lecker, was wohl unter Radlern besondere Beliebtheit genießt. Sie freute sich wie ein Schnitzel.

Ein Traum-Platzerl, nur über die Hängebrücke erreichbar….

Dann saß da noch ein sehr lässiges Pärchen vor einer Hütte am Hafen, die an ihren Rädern deutsche Kennzeichen angebracht hatten. Franzi und Benedikt hießen die beiden, die nach fast 2 Monaten Auszeit in Norwegen ziemlich beeindruckend „Höhenmeter geballert haben“, wie Franzi es nannte. Die beiden hatten teilweise richtig Pech mit dem Wetter und mussten u.a. auch sturmbedingt Änderungen an ihren Routen vornehmen. „An Tagen wie diesem“ – inzwischen war es sonnig super-angenehm – seufzte Benedikt, „bin ich richtig neidisch und bereue den nun feststehenden Heimflug ein wenig.“

Wir wussten das wohl zu werten und waren wieder einmal sehr dankbar für unser Glück und die eigentlich perfekten Bedingungen für unser Unterfangen. Und hey – fürchterlicher Gegenwind und Kälte am Morgen sind eben Markenzeichen Norwegens und gehören einfach dazu.

Ach ja, selbstverständlich nahmen wir vor Abfahrt wieder Kalorien auf. Robert verdrückte gleich 3 Waffeln (ja, die mit Käse) und einen Hamburger. Ich zog zwei Portionen Pommes vor. Und das war gut, denn wir entschlossen uns kurzerhand, gleich nach Ankunft auf der anderen Seite noch nach Tromsø „durchzuballern“. Es waren nur knapp 60 Kilometer. Und das war eine super Entscheidung. Denn der Wind passte streckenweise richtig gut und wir kamen flott durch.

Tromsø ist ein wirklich lebendiges Städtchen, saukalt und windig, aber auf unserer Route eben notwendig. Und bergig, wir mussten für die Innenstadt über den Wall erstmal drüber, was uns dicke Backen abverlangte. Aber wir freuten uns schon auf unser Hotel, denn dort konnten wir alle Ausrüstung trocknen, Kleidung waschen und vor allem unsere 2.000-Kilometer-Marke feiern. Die war vor ca. 2 Tagen erreicht.

Das Hotelzimmer wurde natürlich sofort zum logistischen Umschlagplatz umfunktioniert. Solche Situationen sind maximal auszunutzen. ????

Zur Würdigung unserer 2.000-Kilometer-Einander-Ertragen-Marke fanden wir gleich in unmittelbarer Nähe unserer Bleibe den Asiaten „Suvi“. Das Menü 1 überzeugte uns sofort. So ziemlich alles, was das Haus zu bieten hatte in sehr attraktiver Darbietung. Alle 1.000 km darf man sich etwas verhätscheln, dachten wir.

Was super war: wir hatten erst keinen Platz bekommen und auf unser Drängen hin platzierten sie uns direkt vor der Küche. Das ist einfach magisch, wenn man Profis beim Zubereiten von Sushi und anderen Dingen zusehen kann. A Traum für Sushi-Fans wie den Flori.

Jetzt warten wir gerade auf den Nachtisch…. und da isser! 😀

Chocolate Fondant mit Vanille-Eis, sowie „Keine Ahnung, was das war – war jedenfalls saulecker, mit Erdnüssen!“

Tag 14 – Hadseløya > Gryllefjord

Der Morgen suggerierte schon, was auf uns zukommen sollte. Mit 9°C war es deutlich frischer, als an den anderen Tagen. Weil unser Zelt jedoch ziemlich windgeschützt stand, ahnten wir noch nicht viel…

Gut aufgefüttert mit Milch, Joghurt, Pizza vom Vortag und sonstigen Bröseln radelten wir los. Nach etwa 20 Minuten kam die Wärme im gesamten Körper an, was uns die Zusatzkleidung ablegen ließ. Kaum waren wir über einige Kurven wieder direkt an der Küstenstraße bekamen wir die volle Breitseite eines ausgewachsenen Lofoten-Gegenwindes zu spüren. Unnachgiebig und kalt. Wir hofften auf die Sonne, dass sie sich gegen die Wolkendecke durchsetzen würde. Aber das erfolgte lange nicht. So waren wir auf unsere inneren Flammen angewiesen.

Erst als wir nach etwa 30 km einen Rema-1000-Laden entdeckten, ging es deutlich bergauf: mit einem ganzen Kuchen (na ja, klein bis mittel) kamen ordentlich Kohlenhydrate ins System, die für Zündung sorgten.

So schlängelten wir uns etwa 100 km durch eine relativ graue Landschaft, die auch verhältnismäßig wenig Foto-Gelegenheiten bot. Vielleicht waren es aber auch die kalten Hände… wer weiß?!

Dann, auf den letzten 60 km, ging es an die Westküste der Insel, wo sich der Wind nochmals rauer und heftiger zeigte. Die Bikes waren beständig langsam, die Schenkel dick und wir im Grunde nur am Rudern. Wie immer schwebte uns unser Cappuccino vor dem inneren Auge. Und aus einem Gefühl heraus bogen wir in den Hof einer Camping-Verwaltung ein, in der Hoffnung, dort irgendeine Tasse heißen Kaffee zu bekommen. Die Ansprüche waren niedrig, einzig etwas Pause und eine wärmende Magenfüllung standen auf der Checkliste.

Dann kam die Überraschung. Ein perplexer Rezeptionist (so wirkte er) begann schulterzuckend, uns einen Cappuccino zu bereiten. Ein Stück Kuchen aus der Kühlvitrine nahmen wir auch noch mit. Und traten in die Stube ein… Ein saugemütliches Örtchen, super-attraktiv eingerichtet mit einem Blick aufs Meer und einladend zum Bleiben. Das war irre und wir klopften uns lachend auf die Schenkel. Was gleich zu schmerzverzerrten Gesichtern führte, denn die Muskulatur hatte wieder dieses Bienenstich-Syndrom. Super-empfindlich!!! (Die Cappuccini waren absolut stark!)

Dann ging es aber schnell weiter. Sogar die typischen Touristen-Attraktionen ignorierten wir gepflegt und sahen zu, dass wir auf der Strecke blieben.

Die stürmische Weiterfahrt bot uns dann noch einige Highlights. Wie hier zum Beispiel weiße Strände mit feistem Sand – außer den niedrigen Temperaturen gibt es da nichts, was einen Strandurlaub in der Szenerie abwegig erscheinen lassen würde. Vielleicht gibt es ja solche Tage, wo das hinhaut.

17:00 ging die letzte Fähre, die wir daher zwingend erreichen wollten. Das glückte auch. Aber die Fahrt war wenig entspannt, da es ordentlich Seegang gab, was das Schiff ganz schön durchschaukelte. Alarmanlagen der Autos gingen ständig los und Roberts Rad fiel von der Wand. Glücklicherweise nur Schrammen und keine ernsten Schäden.

Gleich nach Verlassen der Fähre – es regnete überraschenderweise mal – stolperten wir direkt in ein kleines Fischrestaurant, das „Skreien Spiseri“. Von der extrem liebenswerten und hilfsbereiten Wirtin Lina bekamen wir allerhand Tipps, nachdem sie uns Fish & Chips, sowie das Seezungen-Menü empfohlen hatte.

Lokaler Fisch, das schmeckt man! Und dann gab es noch den Kuchen des Hauses, Erdnuss-Karamell mit einer leichten Salznote. Nach solchen Strampeltagen stehen wir eigentlich auf alles, was salzig ist. Der Kuchen war jedoch wirklich erste Sahne.

Unsere leichte Tendenz zu einer festen Unterkunft, bzw. einem festen Dach über dem Kopf, wurde schnell obsolet. Alles ausgebucht. So schnappten wir dann doch unser Zelt und machten uns auf die Suche nach einem gemütlichen Nachtlager. Wie üblich. Schließlich erholten wir uns immer saugut im Einwänder. Never change a running system.

Tag 13 – Sørvågen > Hadseløya

Heute hieß es mal Ausschlafen. Und das war verdient, denn wir hatten alle Ausrüstung gewaschen (inklusive uns selbst). Wir waren nun bereit, die Lofoten gut duftend in Angriff zu nehmen. Nach einem self-made Hausmannskost-Frühstück ging es um 08:00 Uhr los. Anfangs war es noch bedeckt und windig, daher kühl, und natürlich kam der Wind von vorn. Aber hin und wieder schien die Wolkendecke etwas dünner zu werden. Mit guter Hoffnung auf einen prächtigen Inseltag strampelten wir los.

Von unserem Lager in der Ortschaft Å (ja, kein Scherz, nur ein Buchstabe mit Kringel drauf) bis in die Ortschaft Bø hatten wir gut zu tun. Der Gegenwind schien immer mit uns mitzudrehen. Zuverlässig, versteht sich. Unterwegs kamen wir noch am Camper unserer neu kennengelernten Bekannten aus der Schweiz vorbei, die schon am Vortag einen Strandtag angekündigt hatten. Strandtag? Ja, das geht hier auch. Mehr dazu gleich.

Der gewaltige Naturraum der Lofoten beeindruckte uns hinter jeder Kurve. Berge wie im Allgäu, allerdings direkt im Wasser stehend. Senkrechte Monolithen, in die man sich Kletterrouten hineindenken kann. Flache Gewässer, die mit dem Wind unglaubliche Surferlebnisse suggerieren. Und – tatsächlich Sandstrände. Helle, weiche Sandstrände, die je nach Gezeiten und Sonneneinstrahlung das Mittelmeer überflüssig machen.

Unterwegs von einem Strändchen zum nächsten trafen wir Birgit. Birgit ist eine junge Schweizerin, die sich mit Fahrrad und allem, was man für eine Weltreise per Velo braucht, aufgemacht hat, ganz allein das Nordkapp zu erreichen. Mit globalen Folgeplänen. Ein Modell an Selbständigkeit und Pragmatismus – sie zeigte uns sogar, wie man von Hand richtig Luft in einen Reifen hineinbekommt. Was haben wir gelacht! 🙂 Sie begleitete uns noch ein wenig und setzte ihre Route dann in ihrer eigenen Geschwindigkeit fort. Im Gegensatz zu uns konnte sie ihr Gepäck nämlich nicht aufteilen.

Was folgte waren einige Kilometer untertage. In einem Tunnel, der zunächst steil bergab, dann steil bergauf ging. Eine ekelhafte Erfahrung, denn er war quasi gar nicht belüftet. Somit standen die Abgase quasi in der Röhre. Und da die Autos ja auch die Steigungen zu bewältigen hatten, waren die Abgase rauchig, qualmig und einfach erstickend. Nicht zu vergessen laut. Wir waren durch wie nach 50 Kilometern Ballern, als wir da rauskamen.

Dann drehte sich das Blatt. Die Sonne kam heraus und der Wind saß uns zuverlässig im Nacken. Die nun folgenden 40 Kilometer flogen nur so an uns vorbei. Zeitweilig vergaßen wir sogar unseren Capppuccino-Plan. Was aber wurscht war, denn es gab weit und breit nichts, wo man welchen hätte bekommen können. Erst in Svolvær, einer etwas mehr nach Städtchen anmutenden Ortschaft, wurden wir fündig.

Da es aber schon 15:30 Uhr war, entschlossen wir uns gleich zum späten Mittagessen. Mit Aussicht auf Cappuccino. Das Fellini Restaurant war ein Service-Wunder. Geführt von 3 kurdischen Brüdern ging es hier flott zur Sache. Lecker angerichtete, große und kompakte Energie zum sofortigen Verbrennen. Top!

Letzter Punkt auf der Tagesagenda: die Fähre um 19:30 Uhr erreichen. Für die Strecke von etwa 30 km hatten wir knappe zwei Stunden Zeit. Eigentlich kein Problem, wären da nicht die zahllosen Foto-Stopps, da bei abendlichem Licht alles nochmal eine Stufe spektakulärer aussieht. Letztlich schafften wir es aber doch rechtzeitig, und mussten sogar noch 20 min warten. An Bord gab es nochmal, ja, was wohl? Jepp, Kalorien.

Nach Ankunft radelten wir im Schneckentempo nochmals dahin, bis wir den perfekten Platz für die Nacht gefunden hatten. Idyllischer geht es wirklich nicht, die Farben sind unwirklich und deren Intensität einfach nicht mehr seriös. Aber überzeugt euch selbst.

Tag 12 – Skaugvoll Camping > Sørvågen (Lofoten)

Unser Nachtlager war auf erstaunlicher Höhe gelegen. Das stellten wir fest, als wir am Morgen kurz nach sieben Uhr mit 60 km/h wieder talwärts fuhren und dabei schon schnattern durften. Ja, man merkt es, wenn man mit jeder Tagesetappe rund einen Breitengrad weiter nach Norden kommt. Es wird kälter.

Noch im warmen Polaris, das uns bis jetzt hervorragende Dienste geleistet hat. Aufgrund der samstaglichen Versorgungspanne hatten wir nicht mehr genug „Raketentreibstoff“ dabei, um uns ordentlich zu kick-starten. Es war dann mehr so ein Diesel in Form von trockenen belegten Brötchen. Was wir auf den ersten 20 Kilometern sehr deutlich zu spüren bekamen.

Der erste Tunnel gleich hinter der ersten Kurve war 3 km lang und wieder einmal sehr kalt. Ohne aufgewärmt zu sein hilft das nicht wirklich, so richtig ins Rennen zu kommen. Total am Schnattern verließen wir ihn, um uns dann freudig an die erste Steigung zu machen. Leider unterschätzten wir diese massiv, weswegen wir unsere warme Kleidung und Windstopper anbehielten. Nach 200 knackigen Höhenmetern kamen wir endlich am Ende des Anstiegs an und waren patschnass geschwitzt. Bei fortwährender Bewölkung und kühlem Wind. Der Fokus lag nun auf einem Café mit Cappuccino und Aufwärmgelegenheit bzw. Möglichkeit zum Trocknen. Auf 60 km müsste sowas doch zu finden sein….

Aber es kam erstmal nichts. Selbst imposante Brücken, die Zivilisation vermuten lassen, waren am Ende nur beeindruckende Monumente im Nirgendwo, ohne jegliche Auftankmöglichkeit. Also weiter im Takt.

Auch die Sonne ließ noch auf sich warten, erste blaue Lücken waren am Horizont erkennbar. Was sicherlich half: sich klarzumachen, dass es trocken war. Und im Trockenen sind alle anderen Unzulänglichkeiten gut auszuhalten.

Und plötzlich aus dem Nichts kam er, der kleine Coop-Supermarkt. In der Hoffnung, dass er nicht klimatisiert ist (leicht möglich, sogar im Norden, denn Norwegen hat offenbar kein Stromproblem), stürmten wir die Filiale.

Auffällig war, dass wir sehr hungrig einkaufen gingen. Entsprechend umfangreich fiel die Beute aus. Und Roberts unglaubliche Ess-Fertigkeiten enttäuschten nicht.

Exkurs zu Roberts Ess-Fertigkeiten:
Der Bursche ist ein Zuckerverbrennungswunder. Innerhalb von sieben Minuten verspeiste er drei Stück Süßgebäck und ein Eis. Ich lediglich eine Lütticher Waffel und ein Croissant. Als er kurze Zeit später noch ein pikantes Blätterteigstück vertilgte, war ich motiviert, auch nochmal etwas zu besorgen. Leider erstmal erfolglos, denn eine deutsche Familie, die vor meinen Augen alle Frischwaren wegkaufte, machte einen Strich durch die Rechnung. Blieben nur noch verpackte Sachen. Robert kaute noch immer, ohne Anzeichen von Sättigung.

Mit vorläufig abgeschlossener Energiezufuhr war der Blick für die Umgebung wieder frei. Und die bot einiges. Die wildere Landschaft lässt vermehrt auch direkt ihre Dynamik erleben. Unser Weg kreuzte viele Wasserwege. Selbst erste kleine Wasserfälle waren direkt aus der Nähe zu erleben. Und das Wasser hier kann man hervorragend trinken – sehr lecker!

Die tiefe Wolkendecke gepaart mit beinahe Windstille brachte eigene faszinierende Szenerien hervor. Diese entfalten am meisten Wirkung, wenn man sich fahrend durch sie hindurchbewegt, wie wir feststellten. So langsam wurden wir wieder trocken. 🙂

An Kitsch nicht zu überbieten – aber so schauts da wirklich aus. Im Nirgendwo dann wieder ein paar Hütten und solch zauberhafte Örtchen.

Hoch motiviert trudeln wir dann in Bodø ein, nur um dann festzustellen, dass die Saison der angepeilten Fähre vorüber ist. Also warten auf die nächste, die etwa drei Stunden später abfährt.

So schlecht war die Perspektive dann auch nicht, denn auf den ganzen 80 km hatten wir tatsächlich kein Café gefunden, dass uns mit einem Cappuccino versorgen konnte. Also ab auf die Suche nach einem Café mit echtem Barista….

Wir wurden schnell fündig und landeten in diesem stylischen Café mit Bistro. Die Betreiber waren äußerst gechillt, denn ihre Arbeit machten sie in völliger Entspannung mit eigener Zeitrechnung. Bestellt, sofort bezahlt und 30-45 Minuten später geliefert.

Oh ja, klar, der Robert sah natürlich die Speisekarte und orderte prompt: einen veganen Guacamole-Burger.

Und wir trafen ein sehr reizendes Pärchen aus Holland, die ebenfalls mit ihren Rädern die Lofoten unsicher machten. Beide Wissenschaftler, daher sehr kurzweilige drei Stunden Wartezeit.

Und hier bereits auf der Überfahrt zu den Lofoten. Robert nur mit der Mindestausrüstung: Smartphone, Forumslader und Kekse.

Die Wetterprognose ist gut, wir werden vermutlich auf unserer eintägigen Durchquerung von sonnigem Wetter begleitet werden.